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Patriarch Tichon und die Russische Auslandskirche

1925-2025. Zum einhundertsten Jahr des Ablebens des Heiligsten Patriarchen Tichon

Autor: Andrej Alexandrowitsch Kostrjukow. Doktor der Geschichtswissenschaften, Kandidat der Theologie Professor an der orthodoxen Universität Hl. Tichon für Humanwissenschaften (Moskau)

Die revolutionären Ereignisse, die Erschütterungen des Bürgerkriegs und die einsetzende Kirchenverfolgung führten zu einem Phänomen, das als „russischer Exodus“ in die Geschichte einging. Je nach Quelle werden zwischen einer und vier Millionen Menschen geschätzt, die Russland verlassen haben, dies ohne die Bewohner jener Gebiete, die Russland infolge der bolschewistischen Niederlage im Ersten Weltkrieg und des sowjetisch-polnischen Krieges verloren hatte sowie infolge der Verschiebung von Grenzen, zum Beispiel in der Mandschurei.

Im Exil befanden sich auch mehr als dreißig Bischöfe, während die Zahl der Priester, die ihr Heimatland verließen, in die Hunderte ging. Die orthodoxen Christen, die sich in anderen Ländern wiederfanden, hatten praktisch keinen Kontakt zur Moskauer Kirchenleitung. Aus diesem Grund wurde 1920 die Leitung der ausländischen Gemeinden sowie der Missionen und Klöster von der Obersten Kirchenverwaltung (OKV) im Süden Russlands unter dem Vorsitz von Erzbischof Dimitrij (Abaschidse) von Taurien übernommen. Im selben Jahr verließ die Oberste Kirchenverwaltung zusammen mit der russischen Armee unter General P.N. Wrangel die Krim und ging nach Konstantinopel. So entstand die Russische Orthodoxe Kirche im Ausland (ROKA), die jahrzehntelang nicht nur russische Flüchtlinge geistlich betreute, sondern auch Zeugnis von den Verbrechen des kommunistischen Regimes ablegte.

Andrej Alexandrowitsch Kostrjukow
Andrej Alexandrowitsch Kostrjukow

In der ersten Hälfte der 1920er Jahre war die Russische Kirche im Ausland geeint und erst 1926, mehr als ein Jahr nach dem Tod des Heiligen Tichon, teilte sie sich in drei Zweige - die Russische Kirche im Ausland selbst, geleitet vom Synod in Sremski Karlovcy (Serbien), das Westeuropäische Russische Exarchat mit Zentrum in Paris und die Nordamerikanische Metropolie.

Die Frage, welche Einstellung Seine Heiligkeit Tichon gegenüber der Russischen Auslandskirche hatte und wie sich seine Beziehungen zum Episkopat der Auslandskirche entwickelten, ist sehr wichtig, vor allem vor dem Hintergrund, dass die sowjetische Propaganda die Sicht des Heiligen Tichon auf die Auslandskirche als ausschließlich negativ darstellte.

Wie waren nun diese Beziehungen zwischen der Russischen Kirche im Ausland und Patriarch Tichon? Um diese Frage zu beantworten, betrachten wir seine Anordnungen bezüglich der ROKA.

Erlass Nr. 362 vom 20. November 1920

Das zweifellos wichtigste Dokument, das die Haltung des Heiligen Hierarchen gegenüber der Russischen Kirche im Ausland aufzeigt und zugleich bestätigt, ist der Beschluss der gemeinsamen Sitzung der Synode und des Obersten Kirchenrates, der in Form des Dekrets Nr. 362 des Patriarchen Tichon vom 20. November 1920 festgehalten wurde. Durch dieses Dekret erhielten die Bischöfe, die durch Grenzen und Frontlinien vom Patriarchen getrennt waren, das Recht, unabhängige Metropolitankreise unter dem Vorsitz des ältesten Hierarchen zu bilden.

Die Verfügung No 362. Publikation von 1922 in Sremski Karlovcy
Die Verfügung No 362. Publikation von 1922 in Sremski Karlovcy

Gegner der Anwendung dieses Dekrets auf die ROKA erklärten später, dass es sich nur auf benachbarte Eparchien beziehe, während die Bischöfe der Russischen Auslandskirche in verschiedenen Ländern und Kontinenten verstreut seien und nicht immer Eparchien besäßen. Die Verteidiger des kanonischen Status der ROKA betonten jedoch, dass der Begriff der Nachbarschaft in der damaligen Fluchtbewegung weit gefasst werden kann und sich somit nicht nur auf die rein geografische Nähe beziehe, sondern auch bei einer Ähnlichkeit der Bedingungen angewendet werden kann. So wies beispielsweise die Eparchie in Finnland ähnlichere Verhältnisse wie die Eparchien in Amerika auf, als beispielsweise zur Nachbareparchie in Petrograd. Außerdem gab es nicht nur „Flüchtlingsbischöfe“ in der Emigration, sondern auch Bischöfe, die seit vorrevolutionären Zeiten Eparchien geleitet hatten. Die generelle Anwendbarkeit des Dekrets Nr. 362 für die Emigration wurde seinerzeit von Erzpriester Nikolai Artemoff nachgewiesen.[1]

Die Bestätigung dessen, dass die Auslegung des Dekrets durch die ROKA zulässig war, erfolgte 2007. Der Verweis auf das Dekret Nr. 362 als Grundlage für die Existenz der ROKA wurde im „Statut der Russischen Orthodoxen Kirche außerhalb Russlands“ nach ihrer Vereinigung mit der Kirche im Vaterland im Jahr 2007 beibehalten.[2]

Dekret Nr. 424 vom 08. April 1921

Nicht weniger wichtig ist ein anderes Dokument, das zwar später als das Dekret Nr. 362 herausgegeben wurde, aber im Ausland früher bekannt wurde als dieses. Es handelt sich um das Dekret Nr. 424 vom 8. April 1921 über die Ernennung von Erzbischof Evlogij (Georgievsky) für Westeuropa. Laut diesem Dekret erkannte Patriarch Tichon die Ernennung Seiner Eminenz Evlogij an, die zuvor von der Auslands-OKV vorgenommen worden war. „In Anbetracht des Dekrets der Auslands-OKV“, so das Dokument, „werden die russisch-orthodoxen Kirchen in Westeuropa als vorübergehend [...] unter der Verwaltung Seiner Eminenz Evlogij von Wolhynien stehend betrachtet“. Somit betrachtete der Patriarch im April 1921 die OKV der Auslandskirche als kanonisch und erkannte die von ihr erlassene Anordnung an.

Segnung der Auslands-OKV durch den Patriarchen im Mai/ Juni 1921

Bekanntlich befand sich die OKV der Auslandskirche bis zum Sommer 1921 in Konstantinopel. In diese Zeit fällt ein weiteres Zeugnis der Anerkennung der Russischen Kirche im Ausland durch Patriarch Tichon. Am 30. Januar 1923 bestätigte Patriarch Tichon bei einem Verhör in der GPU[3], dass er der OKV der Auslandskirche in Konstantinopel im Mai oder Juni 1921 seinen Segen gegeben habe. Das von Patriarch Tichon erwähnte Dokument erreichte die Emigration nicht, möglicherweise wurde es von den sowjetischen Geheimdiensten abgefangen. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, da es andere Kanäle gab (Beispiele mündlicher Weitergabe existieren, s. unten), dass der Segen auch auf diesem Wege bekannt werden konnte. Jedenfalls bestätigt die Tatsache der Segnung, selbst wenn sie erst Jahrzehnte später publik wurde, die positive Haltung des Heiligen Tichon gegenüber der Russischen Kirche im Ausland.[4]

Dekret Nr. 98 des Patriarchen Tichon vom 13. Oktober 1921

Patriarch Tichon

Im Sommer 1921 zog die OKV der Auslandskirche in das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen. Im Juli desselben Jahres appellierten die Bischöfe der Auslandskirche, Metropolit Antonij (Khrapovitskij), Erzbischof Theophan (Bystrov) und Bischof Veniamin (Fedchenkov), an Patriarch Tichon, alle russischen Diözesen und Pfarreien außerhalb Russlands der Auslandskirchenverwaltung zu unterstellen. Die Verfasser des Briefes baten auch um die Einrichtung des Amtes eines Patriarchalvikars in der Emigration. Dies sollte Metropolit Antonij (Khrapovitskij) sein. Am 13. Oktober 1921 erließen Patriarch Tichon, der Heilige Synod und der Oberste Kirchenrat das Dekret Nr. 98. Obwohl eine Ausweitung der Befugnisse des Obersten Kirchenverwaltung im Ausland in diesem Dokument als unangemessen bezeichnet wurde, bestätigte das Dokument dennoch erneut, dass Patriarch Tichon diese weiterhin anerkannte. Dem Dokument zufolge beließ Patriarch Tichon die OKV im Ausland mit den bestehenden Befugnissen.[5] Das in der Sammlung "Der Ermittlungsfall Patriarch Tichon“ veröffentlichte Dokument gelangte, wie das vorherige, nicht ins Ausland und wurde in der Auslandskirche nie zitiert.

Botschaft des Patriarchen Tichon an den serbischen Patriarchen Dimitrij vom 16. März 1922

Patriarch Dimitrij (Pavlovich)
Patriarch Dimitrij (Pavlovich)

Die nächste Bestätigung der Anerkennung der ROKA seitens der Moskauer Kirchenbehörden ist indirekter Natur. Es handelt sich um eine Botschaft von Patriarch Tichon an den serbischen Patriarchen Demetrios vom 16. März 1922. Darin dankt Seine Heiligkeit dem Patriarchen Dimitrij für die „vorübergehende Unterkunft“, die die Serbische Kirche den russischen Hierarchen gewährt. Diese Botschaft scheint sehr wichtig zu sein, denn die Serbische Kirche nahm nicht nur die Flüchtlinge auf, sondern segnete auf dem Bischofskonzil am 31. August 1921 auch die Tätigkeit der OKV der Russischen Auslandskirche.

Gespräch des Patriarchen Tichon mit E. Colton im Mai 1922

Das nächste Ereignis, das uns Zeitgenossen überliefert haben, ist ein Gespräch zwischen Patriarch Tichon mit dem Sekretär des amerikanischen „Christlichen Vereins Junger Menaschen“ (YMCA) und dem Vorsteher der nordamerikanischen Metropolie, Ethan Colton. Letzterer besuchte den Patriarchen zusammen mit Erzpriester Feodor Paschkovskij (dem späteren Metropoliten Feofil) im Frühjahr 1922, wobei das letzte Gespräch am 3. Mai 1922 stattfand. Die Besucher besprachen mit dem Patriarchen die Frage der Ernennung von Metropolit Platon (Rozhdestvenskij) für Nordamerika, der die Diözese bereits leitete, nachdem er von der OKV der ROKA ernannt worden war.

Die weiteren Aussagen der Augenzeugen weichen voneinander ab: Laut der Aussage von Erzpriester F. Paschkovskij, der am 31. Oktober unter Eid aussagte, ernannte der Patriarch Metropolit Platon zum Leiter der Diözese in Amerika und ordnete die Schließung der OKV der ROKA an. Nach Aussage des Erzpriesters F. Paschkovskij hatte er das entsprechende Schreiben, das er vom Patriarchen erhalten hatte, sowohl an Metropolit Platon (Rozhdestvenskij) als auch an Metropolit Evlogij (Georgievskij), den Leiter der Gemeinden in Westeuropa, weitergegeben.[6] Das letztgenannte Zeugnis erscheint zweifelhaft, da die genannten Metropoliten, die sich 1926 von der ROKA trennten, sich nie auf die angeblichen patriarchalen Dokumente bezogen oder sie erwähnten. Es ist offensichtlich, dass die Metropoliten, wenn es solche Dokumente gegeben hätte, die Gelegenheit nicht verpasst hätten, sich erneut auf den direkten Segen von Patriarch Tichon zu beziehen.

Nach Coltons Aussage hat Patriarch Tichon die Ernennung von Metropolit Platon jedoch nicht selbst vorgenommen, sondern lediglich der OKV der ROKA empfohlen, diese Ernennung von Metropolit Platon für Amerika vorzunehmen. Colton zufolge hatte Patriarch Tichon auch nicht die Absicht, die OKV der ROKA zu schließen, und wollte bezüglich Amerikas keine Anordnungen „über den Kopf“ der OKV der ROKA treffen.[7] In diesem Sinne übermittelte Colton die Worte des Patriarchen auch an Metropolit Evlogij.[8]

In unserer gegenwärtigen Zeit ist es schwierig, zu ergründen, was Patriarch Tichon in seinem Gespräch mit den amerikanischen Besuchern meinte. Möglicherweise hat der Patriarch im Laufe des Gesprächs verschiedene Meinungen geäußert, aber die Tatsache, dass seine Heiligkeit keine klaren Weisungen durch Erzpriester F. Paschkovskij keine Befehle erteilt hatte, legt uns nahe, sein Zeugnis anzuzweifeln.

Dekret Nr. 348 bezüglich der Schließung der OKV der ROKA

In diesem Dekret vom 5. Mai 1922 heißt es, dass die Regelungen des Konzils von Karlovac von 1921 nach Wiederaufnahme der normalen Tätigkeit des Heiligen Synods erörtert werden sollen. Außerdem wurde dem Dekret zufolge die OKV abgeschafft und die Autorität von Metropolit Eulogius „beibehalten“.

Wie wir sehen können, war hier nicht von einer Auflösung der ROKA die Rede, sondern nur ihre Leitung verändert – anstelle der OKV unter Leitung von Metropolit Antonij (Khrapovitskij), wird dem Anschein nach Metropolit Evlogij (Georgievskij) berufen, die ROKA leiten, und es werden von ihm Vorschläge erwartet, was das System der Kirchenleitung betrifft.

Tatsächlich ist, wie aus den Dokumenten hervorgeht, das Dekret Nr. 348 das Ergebnis eines enormen Drucks auf den heiligen Tichon. Dieser wurde bereits seit März 1922 ausgeübt. Der Grund für den Druck war das Bestreben der Machthaber, die Auslandskirche zu zerstören, weil sie die kommunistische Macht anprangerte, und auch die Zielsetzung der Sowjets, Immobilien im Ausland an sich zu reissen. Der Patriarch wurde aufgefordert, den russischen Bischöfen im Exil ihre Amtswürde zu entziehen, nicht weniger, als sie zu anathematisieren und die Herausgabe von Wertgegenständen zu verlangen. Andernfalls wurde dem Patriarchen mit Verhaftung wegen Verbrechen gegen die Sowjetmacht gedroht.[9] Wie wir sehen können, erfüllte der heilige Tichon die Forderung der Behörden nur teilweise und das Dekret erschien mit verwaschenen Formulierungen.[10]

Die von Patriarch Tichon vorgeschriebene Übertragung der OKV auf Metropolit Evlogij bestand jedoch nur auf dem Papier. Der Hauptgrund dafür war, dass Metropolit Evlogij es selbst ablehnte, die Führung in der ROKA zu übernehmen. Es gab auch noch einen weiteren Grund – den politischen Kontext, der in dem Dekret aus den Worten über die fehlende Möglichkeit einer normalen Tätigkeit der Synode herauszulesen war.

Metropolit Evlogij (Georgievskij)
Metropolit Evlogij (Georgievskij)

Das Dekret wurde am Tag vor der Verhaftung des Patriarchen erlassen, die offiziell am 6. Mai erfolgte. Das Dekret Nr. 348 traf im Ausland später ein als die Nachricht von der Verhaftung des Patriarchen Tichon. Als das Dekret die Exilkirche erreichte, war die orthodoxe Kirche in Russland praktisch verboten. Die bolschewistischen Behörden ließen nicht zu, dass der von Patriarch Tichon ernannte Stellvertreter, Metropoliten Agafangel (Preobraschenskij), seinen Sitz in Jaroslawl verlassen konnte; der andere der maßgeblichen Bischöfe, der – gewissermaßen für die Auslandskirchen zuständige – Metropolit von Sankt-Petersburg (damals: Petrograd) Wenjamin (Kasanskij), wurde verhaftet und im August 1922 erschossen. Allein eine Kommemoration des Patriarchen Tichon im Gottesdienst konnte bereits die Freiheit kosten.

Anstelle der kanonischen Kirche bot die Sowjetmacht dem Volk eine Pseudokirche an – Schismatiker namens „Erneuerer“ (unter ihnen „Zhivaja Cerkov’“, d.h. Lebendige Kirche). Ihre Gründung durch das Sowjetregime bedeutete keine Erneuerung der liturgischen Traditionen, sondern den Kampf gegen die sogenannte „kirchliche Konterrevolution“. Tatsächlich reduzierten die roten Erneuerer ihre Reformen auf ein verheiratetes Episkopat und die Möglichkeit für Priester, mehrfach zu heiraten. Einige unterstützten das Schisma der Erneuerer aus Karriereerwägungen, andere aus Angst, wieder andere aus Gewohnheit, dem Staat zu gehorchen, wieder andere aus der Befürchtung heraus, dass die Patriarchalkirche nicht mehr wiederhergestellt werden würde. Als erster der russischen Hierarchen unterstützte Metropolit Sergij (Stragorodskij) bereits im Juni 1922, gemeinsam mit zwei weniger gewichtigen Gestalten des Epikopats Jewdokim (Meshcherskij) und Serafim (Meshcherjakow) das Schisma der Erneuerer.

Die Russische Auslandskirche rief in dieser Situation die ganze Welt zum Protest gegen die Verfolgung von Patriarch Tichon auf. Die Auslandskirche hatte natürlich nicht die Absicht, ihre Aktivitäten einzustellen.

Die Gegner der ROKA tadelten sie später dafür, dass sie nach dem Dekret Nr. 348 weiter existierte. Tatsächlich aber wäre die Auflösung der Auslandskirche ein Verbrechen gewesen. Die Leitung der Auslandskirche verstand, dass ihre weitere Tätigkeit aus mindestens drei Gründen notwendig war:

  1. Zur geistlichen Führung der Emigration und ihren Zusammenhalt, falls das kommunistische Regime die kanonische Hierarchie in Russland zerstörte; 

  2. Zur entlarvung kommunistischer Vergehen;

  3. Zur Erhaltung der Hierarchie, falls die kanonische Kirche in Russland von den Bolschewisten zerstört werden würde.

Ein weiterer Aspekt ist in dieser Geschichte wichtig. Nach der Verhaftung von Patriarch Tichon, wurde Metropolit Agafangel (Preobraschenskij) zum kanonischen Haupt der Russischen Kirche. Sein Dekret, das im Juli 1922 erlassen wurde, schrieb das genaue Gegenteil des Dekrets Nr. 348 vor. Patriarch Agafangel ordnete an, dass die Diözesen aufgrund der schwierigen Lage zur vorübergehenden Selbstverwaltung übergehen sollten. Dieses Dekret, welches dem Dekret Nr. 362 von 1920 entsprach, gab der Russischen Kirche im Ausland das Recht, ihre Tätigkeit fortzusetzen.

Das Dekret Nr. 348 wurde in dem Teil, der sich auf die Abschaffung der OKV bezog, formal erfüllt. Tatsächlich hatte in der gegebenen Situation die Beteiligung von Laienpolitikern in der Struktur der OKV selbst sowie die großen Synoden unter Teilhabe von Laien dazu geführt, dass der Auslandskirche  politische Positionen aufgedrängt wurden.  So wurde auf den Bischofssynoden der ROKA in den Jahren 1922 und 1923 beschlossen, die kirchliche Machtausübung dem Bischofssynod voll zu übertragen und die Kompetenz der Synoden unter Beteiligung von Klerus und Laien einzuschränken.

Erklärungen von Patriarch Tichon nach seiner Freilassung (1923)

Seine Heiligkeit Tichon wurde im Juni 1923 freigelassen, woraufhin drei Botschaften in der Presse erschienen – eine Erklärung an den Obersten Gerichtshof vom 16. Juni 1923, eine Botschaft vom 22. Juni 1923 und eine Botschaft vom 1. Juli 1923. In diesen Dokumenten bekannte sich der Patriarch der Vergehen wider die Sowjetmacht für schuldig und sprach von der unpolitischen Natur der Kirche, die weder rot noch weiß sein könne. Als Beweis für seinen unpolitischen Charakter führte der Patriarch das oben erwähnte Dekret Nr. 348 an. Patriarch Tichon erklärte die Schließung der Auslands-OKV damit, dass er mit den Aktionen der ROKA – ihrem Appell an die Konferenz von Genua und der monarchistischen Erklärung der Synode von Karlovac 1921 – nicht einverstanden war.

Trotzdem beschuldigte der Patriarch in seinen Erklärungen die Auslandskirche nicht des Schismas oder der Nicht-Kanonizität, sondern verurteilte lediglich die „politischen“ Erklärungen der Synode von Karlovac.

Heute ist gesichert, dass der Patriarch unter Druck gezwungen war, die Erklärungen von 1923 abzugeben.

Die Lage in der Sowjetunion gestaltete sich zu dieser Zeit keineswegs einfach: während Trotzki, Kamenjew, Stalin und Sinowjew um die Macht kämpften, hatte Lenin wegen seines kritischen Gesundheitszustands keinen Einfluss mehr. Die mit ihrem Zwist beschäftigten Sowjetführer hatten keine Zeit, sich mit der Kirche zu beschäftigen.

Darüber hinaus, riefen die Pläne des kommunistischen Staates, die ganze Welt in eine „Sowjetunion“ zu verwandeln (wie es in der „Erklärung über die Gründung der UdSSR“ vom 29. Dezember 1922 heißt), die Finanzierung roter Kämpfer durch die Sowjetunion und die Verbreitung ihrer Ideologie den Protest Großbritanniens hervor. Am 8. Mai wird das berühmte Ultimatum des britischen Außenministers D. Curzon an die sowjetische Führung veröffentlicht. In diesem Dokument, das als „Curzon-Note“ bekannt ist, wird nicht nur gegen den Export der Revolution protestiert, sondern auch die illegale Inhaftierung von Patriarch Tichon erwähnt.[11]

Die kommunistische Führung war also genötigt, Zugeständnisse zu machen, darunter, den Patriarchen freizulassen. Allerdings wurden ihm Bedingungen auferlegt, zu diesen gehörten die Verurteilung der Synode von Karlovac und der Russischen Auslandskirche. Einige Formulierungen in den Sendschreiben des Patriarchen wiederholten wörtlich diejenigen, die Jemeljan Jaroslawski, Mitglied des Zentralkomitees der Russischen Kommunistischen Partei und späterer Vorsitzender des Zentralrats der Union der militanten Atheisten, erdacht hatte.[12]

Somit erschienen die Erklärungen von Patriarch Tichon vom Juni und Juli 1923 unter starkem Druck der gottlosen Behörden. Doch selbst unter diesen extremen Bedingungen unternahm der Patriarch keine Schritte zur Abschaffung oder Verurteilung der ROKA.

Patriarch Tichon wird inhaftiert
Patriarch Tichon wird inhaftiert

Patriarch Tichon und der „panorthodoxe“ Kongress

Es ist wichtig zu erwähnen, dass zu dieser Zeit die Kontakte zwischen Patriarch Tichon und der Emigration fortbestanden. Ein Beispiel dafür sind die Ereignisse im Zusammenhang mit dem „allorthodoxen“ Kongress, der vom 10. Mai bis 8. Juni 1923 in Istanbul stattfand und bei dem der Übergang zu einem neuen Kalender (dem Neu-Julianischen) als akzeptabel anerkannt wurde.

Zur gleichen Zeit machte die sowjetische Führung es zur Bedingung für die Freilassung von Patriarch Tichon, dass die Russische Kirche den neuen Kalender übernimmt. In die Irre geführt, willigte Patriarch Tichon im Oktober 1923 in die Umstellung auf den neuen Kalender ein. Bekanntlich war der „panorthodoxe“ Kongress jedoch von keiner großen Bedeutung. Er wurde von den östlichen Patriarchen (mit Ausnahme dessen von Konstantinopel) ignoriert, und nur 12 Personen nahmen an ihm teil. Die Beschlüsse des Kongresses unterschrieben 10 Personen, wobei die Unterschrift eines von ihnen, des Erzbischofs der ROKA Alexander (Nemolovskij), von dem Bischofssynod der ROKA nicht anerkannt wurde. Derselbe Synod verwarf auch alle anderen Beschlüsse des „panorthodoxen“ Kongresses.[13]

Es ist wohlbekannt, dass der Heilige Tichon die Kalenderreform bald wieder aufgab, und die Tatsache, dass der Übergang zum neuen Kalender so kurz war, dass er von der Russischen Kirche gar nicht zur Kenntnis genommen wurde. Einer der Gründe, warum der Patriarch zum alten Stil zurückkehrte, war ein Telegramm des Erzbischofs der ROKA Anastasij (Gribanovskij), der Seine Heiligkeit darüber informierte, dass der neue Kalender nicht von allen Ortskirchen angenommen worden war.[14]

Anordnung des Patriarchen Tichon vom 8. November 1923 bzw. 8. April 1924

Die seltsamste aller Erklärungen zur ROKA ist ein gewisses Dokument mit doppelter Datierung (8. November 1923 bzw. 8. April 1924).[15] In der Anordnung heißt es, dass Patriarch Tichon und seine OKV nichts mit den öffentlichen politischen Auftritten der Emigranten zu tun habe, dass die in der Presse der Emigration erschienenen Erklärungen im Namen des Patriarchen nichts mit ihm zu tun hätten und dass Metropolit Antonij (Khrapowitskij) kein Recht habe, im Namen der gesamten Russischen Kirche zu sprechen. Die Anordnung enthielt auch eine Anfrage an Metropolit Evlogij nach den Gründen für das Fortbestehen der OKV der Auslandskirche unter dem Namen „Synod der Auslandskirche“.

Dieses Dokument wurde später gegen die ROKA verwendet, zum Beispiel von Sergej V. Troitskij, aber es kann kaum als ernsthafte Grundlage für den Nachweis der Nicht-Kanonizität der ROKA angesehen werden.

Es ist unschwer zu erkennen, dass der Text des Dokuments nichts Feindseliges enthielt und der ROKA nichts Neues vorschrieb. So behauptete Metropolit Antonij gar nicht, im Namen der Kirche zu sprechen; im Gegenteil, die Auslandskirche betonte, dass die ROKA nur die Stimme der russischen Kirche der Emigration sei und nicht die der Kirche im Vaterland. Die Aussage von Patriarch Tichon gegen ein Sendschreiben, das angeblich von ihm unterzeichnet sei, implzierte auch keine Sanktion gegenüber der ROKA.

Allerdings ist auch dieses Dokument eine Folge des Drucks auf den Heiligen Tichon.

Bekanntlich gehörten der Moskauer Kirchenverwaltung unter dem Patriarchen nur drei Bischöfe an – die Erzbischöfe Ilarion von Wereja (Troitskij), Seraphim von Twer (Alexandrow) und Tichon von Ural (Obolenskij). Von ihnen war nur der Hieromärtyrer Hilarion nicht durch Beziehungen zur Geheimpolizei OGPU belastet. Die anderen beiden Hierarchen waren nicht so prinzipientreu. Erzbischof Seraphim (Alexandrow) war ein Informant der OGPU, und Erzbischof Tichon (Obolenskij) ließ sich ebenfalls von den Anweisungen der sowjetischen Geheimdienste leiten.[16]

Genau diese Erzbischöfe, Seraphim und Tichon, wandten sich in einem Brief an den Patriarchen, in dem sie Seine Heiligkeit über die Artikel in der Zeitschrift „Kirchliche Nachrichten“ (der ROKA) informierten. Besondere Aufmerksamkeit widmeten die Hierarchen den in der Zeitschrift enthaltenen Angriffen gegen die kommunistischen Machthaber und zitierten wörtlich die „Kirchlichen Nachrichten“, welche ja in der Sowjetunion verboten waren. Mit den Ausgaben dieser Zeitschrift konnten sie sich ausschließlich bei der OGPU vertraut gemacht haben. Die Verfasser des Schreibens legten Patriarch Tichon nahe, sich von den quasi in seinem Namen geschriebenen Botschaften sowie von den Reden des Metropoliten Antonij (Khrapovitskij) zu distanzieren. Es wurde auch vorgeschlagen, zu erklären, dass die OKV der Auslandskirche ohne den Segen des Patriarchen handelt.

Die Antwort auf den Appell der Erzbischöfe Seraphim und Tichon war die Anordnung des Patriarchen Tichon vom 8. November 1923. Dieses Dokument wurde jedoch nie öffentlich gemacht. Auch Metropolit Evlogij, an den das Dokument gerichtet war, wusste bis 1928 nichts von seiner Existenz.[17] Auch dem Bischofssynod der ROKA war dieses Dokument nicht bekannt.

Im Jahr 1924 wurde offenbar versucht, diese Anordnung zu neuem Leben zu erwecken und zu ergänzen. So erhielt sie ein zweites Datum – den 8. April 1924. Aber auch im Jahr 1924 wurde dieses Dokument niemandem zugesandt. Beachtenswert ist, dass dieses Dokument von Bischof Pitirim (Krylov), dem Verwalter der Patriarchalsynode, beglaubigt wurde. Aber Bischof Pitirim übernahm dieses Amt erst drei Jahre nach dem Tod von Patriarch Tichon – im Jahr 1928. Außerdem wurde dieser Hierarch, wie man heute weiß, von den sowjetischen Geheimdiensten angeworben, so dass Zweifel daran bestehen, ob Patriarch Tichon diese Anordnung überhaupt unterzeichnet hat.

Patriarch Tichon

Auf jeden Fall wurde die Anordnung vom 8. November 1923 bzw. 8. April 1924 erst Ende der 1920er Jahre in Umlauf gebracht, als es seine Bedeutung völlig verloren hatte. Das Dokument wurde von Metropolit Sergij (Stragorodskij) in der an Metropolit Evlogij gerichteten Anordnung Nr. 104 vom 9. Mai 1928 erwähnt, die noch später erschien. Im Jahr 1932 erwähnte S.V. Troitskij dieses Dokument in seinem Buch „Abgrenzung oder Schisma“ aber erst in späteren Arbeiten zitierte er es vollständig.[18]

Es ist durchaus möglich, dass Patriarch Tichon unter Druck dieses Dokument herausgegeben hat, aber mit harmlosem Wortlaut – ohne Missbilligung oder Sanktion – aber keinen Sinn darin sah, dieses Dokument ins Ausland zu schicken.

Zeugnis von M. Materikin über die Anerkennung der kanonischen Autorität von Metropolit Antonij (Khrapovitskij) durch Patriarch Tichon

Es gibt allen Grund zu der Annahme, dass Patriarch Tichon im Jahr 1924 dem Ersthierarchen der ROKA, Antoniij (Khrapovitskij), nach wie vor großen Respekt entgegenbrachte und seine kanonische Autorität anerkannte. Dies wird durch das Zeugnis des Re-Emigranten Makarij Materikin bestätigt, der am 11. Januar 1924 Patriarch Tichon begegnet war und daraufhin der Auslandskirche dessen Rat übermittelte, die Jurisdiktionsstreitigkeiten in der Tschechoslowakei mit Hilfe von Metropolit Antonij (Khrapovitskij) zu lösen. Es sei daran erinnert, dass Bischof Sergej (Korolev), der der ROKA unterstellt war, in der Tschechoslowakei wirkte, ebenso wie der von der Kirche von Konstantinopel ernannte Erzbischof Sawwatij (Vrabec). „Seine Heiligkeit“, – so schrieb Materikin am 15. Januar 1924 an Bischof Sergej (Korolev), – "weiß über alle Angelegenheiten Bescheid, und auch über die Meinungsverschiedenheiten zwischen Ihnen mit dem hochgeweihten Evlogij einerseits und dem hochgeweihten Sawwatij andererseits ist ihm alles bekannt. Er ist der Meinung, dass Sie diese Angelegenheit mit Hilfe Seiner Eminenz Antonij regeln müssen". Weiter unten im Text unterstrich Materikin noch einmal die Anweisung von Patriarch Tichon. „In allen Fragen“, so übermittelte Materikin die Worte des Heiligen Tichon, „müssen Sie sich an Seine Eminenz Antonij wenden“.[19]

Das „Testament“ des Patriarchen Tichon

Das letzte Dokument ist die „Sendschreiben Seiner Heiligkeit Patriarch Tichon über die Haltung gegenüber der bestehenden Staatsmacht“ („Testament“). Das Dokument wurde nach der Beerdigung von Patriarch Tichon veröffentlicht und von zwei Metropoliten Pjotr (Polyanskij) und Tichon (Obolenskij) bezeugt. Das Dokument enthielt Ausfälle gegen die ROKA wegen „politischer Aktivitäten“. Die Bischöfe der Auslandskirche wurden aufgefordert, nach Russland zurückzukehren, andernfalls wurde angedroht, sie in Abwesenheit vor Gericht zu stellen. Es ist inzwischen erwiesen, dass der Patriarch auch dieses Dokument unter Druck unterzeichnen musste.

Die ursprüngliche Fassung des Textes enthielt ein Anathema gegen die Synode des Auslandskirche, deren Bischöfe zu „Feinden des Vaterlandes“ sowie der orthodoxen Kirche erklärt wurden u.dgl.[20] Der Patriarch war jedoch mit diesen von den sowjetischen Geheimdiensten vorgeschlagenen Formulierungen nicht einverstanden. Priester Dimitrij Safonow, der verschiedene Versionen des Textes untersucht hat, wies überzeugend nach, dass der heilige Tichon dieses Dokument nie unterzeichnet hatte und in der Presse lediglich ein vom „sowjetischen Oberprokuror“ E.A. Tutschkow nachgearbeitete Text erschienen war.[21]

Somit hatten alle derzeit bekannten Botschaften und Anordnungen Seiner Heiligkeit des Patriarchen Tichon in Bezug auf die ROKA entweder eine positive Ausrichtung, oder aber sie wurden unter dem Druck der atheistischen Obrigkeit getroffen, wobei selbst in diesen Fällen der Patriarch eine Verurteilung der Russischen Kirche im Ausland vermied.


[1]   Артемов Н., прот. Постановление № 362 от 7/20 ноября 1920 г. и закрытие зарубежного ВЦУ в мае 1922 г. Историческое и каноническое значение // История Русской Православной Церкви в ХХ веке (1917-1933). Мюнхен, 2002. С. 93 – 212.

[2]   Законодательство Русской Православной Церкви Заграницей (1921 – 2007) / Сост. Д.П. Анашкин. М. 2014. С. 506.

[3]   Die Vereinigte staatliche politische Verwaltung (Abkürzung im Russ.: GPU/ OGPU) beim Volkskommissariat für innere Angelegenheiten der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR) war ein staatliches Sicherheitsorgan der RSFSR. Dieser Geheimdienst wurde am 6. Februar 1922 eingerichtet.

[4]   Следственное дело Патриарха Тихона. Сборник документов по материалам Центрального архива ФСБ РФ. М., 2000. С. 200; Акты Святейшего Тихона, Патриарха Московского и всея России, позднейшие документы и переписка о каноническом преемстве высшей церковной власти. 1917 – 1943 гг. / Сост. М. Губонин. М. 1994. С. 261.

[5] Следственное дело Патриарха Тихона… С. 688 – 692, 695 – 696.

[6] Следственное дело Патриарха Тихона… С. 710 – 712.

[7] Григорий (Граббе), еп. К истории русских церковных разделений заграницей. Джорданвилль. 1992. С. 29 – 30.

[8] Details bei: Кострюков А. Русская Зарубежная Церковь в первой половине 1920-х годов. Организация церковного управления в эмиграции и его отношения с Московской Патриархией при жизни Патриарха Тихона. М. 2007. С. 242 – 244.

[9]   Следственное дело Патриарха Тихона… С. 118 – 122, 128, 154 – 155, 299; Применить к попам высшую меру наказания // Источник, 1995. № 3. С. 116 – 124.

[10]  Kommentar der Redaktion: Völlig zu recht spricht hier der Autor von «verwaschenen Formulierungen». Sie sind unklar und unscharf. Hier darf man durchaus eine Absicht vermuten. Das betrifft, unter anderem, die erwähnte «Beibehaltung» der Leitung der «Kirchen im Ausland». Das mochte für die Machthaber zufriedenstellend klingen. Indes galt dieser Begriff in der damaligen kirchlichen Terminologie ausschließlich für die Gemeinden und Kirchen, die zuvor dem Sankt-Petersburger Metropoliten unterstanden und durch Dekret 424 von 1921 (s. oben) provisorisch Metr. Evlogij anvertraut worden waren, d.h. die Westeuropäischen — eben deren Leitung sollte er «beibehalten». Es gab jedoch neben Westeuropa auch andere eigenständige Diözesen in der Welt, was die Kirchenleitung in Moskau genau wusste. Auffällig ist darüber hinaus, dass im Dokument zunächst der Vorschlag des Patriarchen Tichon vollständig zitiert, dann aber durch den Synod und den Obersten Kirchenrat substantiell abgeändert wurde, wohl in Abwesenheit des Patriarchen. Das Dekret erschien auch nicht mit der Unterschrift des Patriarchen. Es enthält zudem die Schlüsselformulierung, die auf das Fehlen einer «normalen Tätigkeit» der Kirchenleitung hinweist, was den Blick auf das Dekret Nr. 362 vom November 1920 (s. oben) hinleitet. Über diese Perspektive berichtet auch unser Autor später. Das komplizierte Spiel mit Begriffen und Formulierungen in einer noch komplizierteren historischen Situation (der Sowjetwelt, die an «Doppelsprech» Orwells denken lässt) wird im Detail analysiert in der oben erwähnten Arbeit des Erzpriesters Nikolai Artemoff, s. Anmerkung 1, a.a.O., S. 170-190. - Red. 

[11]  Советская Россия и Англия // Известия ВЦИК. 1923. № 103 (1840). 11 мая. С. 3.

[12]  Петров С. Освобождение Патриарха Тихона из-под ареста: источниковедческое изучение "покаянных" документов // История Русской Православной Церкви в ХХ веке (1917 – 1933). Мюнхен, 2002. С. 221 – 223.

[13]  Церковные ведомости. 1923. № 13 — 14. С. 1 — 2.

[14]  Деяния Второго Всезарубежного Собора Русской Православной Церкви Заграницей с участием представителей клира и мирян, состоявшегося 1/14 — 11/24 августа 1938 года в Сремских Карловцах в Югославии. Белград. 1939. С. 139.

[15]  Акты Святейшего Тихона… С. 304, 314. См. также: Новые документы по истории взаимоотношений между Патриархом Тихоном и Карловацким Синодом / Публ. А.А. Кострюкова, Н.Ф. Тягуновой // Вестник ПСТГУ. II. 2008. Вып. 3 (28). С. 119 – 125.

[16]  Сафонов Д. К вопросу о подлинности «Завещательного послания» св. Патриарха Тихона // Богословский вестник. 2004. №. 4. С. 324.

[17]  Церковный вестник Западно-Европейской епархии. 1928. № 12. С. 2.

[18]  Акты Святейшего Тихона… С. 314 – 315; Троицкий С. Размежевание или раскол. Paris, 1932. С. 49; Троицкий С. О неправде Карловацкого раскола. Editions de L’Exarchat Russe en Europe Occidentale. Репр. Московская патриархия. 1992. С. 88.

[19]  ГАРФ. Ф. 6343. Оп. 1. Д. 6. Л. 252 — 253. Подробнее см.: Кострюков А. Русская Зарубежная Церковь в 1925 – 1938 гг. Юрисдикционные конфликты и отношения с московской церковной властью. М. 2011. С. 71.

[20]  Следственное дело Патриарха Тихона… С. 402 – 409.

[21]  Сафонов Д. К вопросу о подлинности «Завещательного послания» св. Патриарха Тихона // Богословский вестник. 2004. №. 4. С. 297.

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