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Botschaft des Metropoliten Mark zur Kirchenverfolgung in der Ukraine

Aktualisiert: 30. Dez. 2022

Liebe Brüder und Schwestern,

mit Schmerz und Sorge berichten wir Euch über eine neue Verfolgung der ukrainischen orthodoxen Kirche. Unter dem Vorwurf unzureichender Loyalität gegenüber ihrem Staat und ihrem Volk wird sie heftigen Durchsuchungen unterzogen, ihr Eigentum wird beschlagnahmt und neue Gesetzesvorhaben drohen, sie ganz zu verbieten, trotz ihrer jahrhundertelangen Geschichte, ihres Beitrags zur geistigen Entwicklung des Landes und der Millionen von Bürgern, die ihr angehören.

Die UOK ist die zahlenmäßig größte und die historisch mit Abstand älteste christliche Konfession in der Ukraine[1]und war historisch, wie der Großteil des Landes, lange mit Russland verbunden. Seit der „Orangenen Revolution“ und den nachfolgenden Regierungen mit antirussischer Orientierung befindet sich die UOK in einer prekären Lage, da sie zu Unrecht als politische prorussische Organisation öffentlich angefeindet und politisch benachteiligt wird, obwohl sie eigenständig und dem ukrainischen Volk gegenüber loyal ist.

Unter dem Vorwand des schrecklichen Krieges werden angestammte Christen, die selbst ukrainische Staatsbürger sind, zu Staatsfeinden erklärt!

Ziel mancher politischen Akteure scheint die gewaltsame Schaffung einer neuen, nationalistisch ausgerichteten und mit der Regierung gleichgeschalteten Kirchenstruktur zu sein. In den letzten Wochen haben sich die Angriffe auf die Gewissens- und Religionsfreiheit in der Ukraine zugespitzt:

1) Benachteiligung: Am 22.11.2022 reicht die Partei von P. Poroschenko „Europäische Solidarität“ den Gesetzentwurf Nr. 8221[2] ein, der u.a. vorsieht, die Bezeichnung „orthodox“ ausschließlich der von Poroschenko ab 2018 begünstigten „Orthodoxen Kirche der Ukraine“ (OKU) vorzubehalten, einer in der orthodoxen Welt selbst durchaus umstrittenen, kirchenrechtlich aus vielen Gründen illegitimen Struktur. Zugleich sollen auf dem Gebiet der Ukraine sämtliche kirchlichen und religiösen Strukturen verboten werden, die in irgendeiner Weise mit der „Russländischen orthodoxen Kirche“ in Verbindung gebracht werden könnten. Das entspricht dem Narrativ, welches sich gegen die UOK wendet. Über 500 Kirchen der UOK wurden in den vergangenen Jahren bereits (in der Regel unter dem Druck der örtlichen Behörden und oft mit brutaler Gewalt paramilitärischer und rechtsextremer Gruppierungen) zugunsten der „OKU“ entrissen.[3]

2) Diskreditierung, Durchsuchungen: Seit Ende November wurden die seit Oktober 2022 von der Staatssicherheit (SBU) durchgeführten Haus-, Klöster- und Kirchendurchsuchungen in vielen Diözesen massiv ausgeweitet und intensiviert. So wurde Potschaew, eines der bedeutendsten und geschichtsträchtigsten Großklöster der Orthodoxie, über eine Woche lang brutal durchkämmt und dabei große Sachschäden verursacht. Die Massenmedien beginnen häufig schon während der laufenden Durchsuchungen, Falschmeldungen abzusetzen, um die UOK als „feindlich“ zu diskreditieren. Dem Metropoliten von Tschernowzy und Bukowina Meletij wurde am 25.11.2022 offen gesagt, er solle doch zur „OKU“ wechseln, dann würde er in Ruhe gelassen werden. In den Medien wurde er, noch während die 12-stündige Durchsuchung lief, bereits des „Staatsverrats“ bezichtigt.[4] Ähnliche Vorgänge passieren seit Ende November dutzendfach und halten bis heute an.

3) Drohendes Verbot: Am 01.12.2022 erfolgte eine Anordnung des Präsidenten der Ukraine V. Selenskijs:

a) Das Parlament solle innerhalb von 2 Monaten ein Gesetz mit dem Verbot sämtlicher religiöser Organisationen beschließen, die mit der „Russischen Föderation“ in Verbindung gebracht werden können.

b) Das Amt für „Ethnopolitik und Gewissensfreiheit“ soll den Zentralorganen der Exekutive, d.h. der Regierung, direkt unterstellt werden. Diesem Amt sollen seinerseits die lokalen Regierungsadministrationen unterstellt werden, zu deren Zuständigkeit auch Fragen der Gewissens- und Religionsfreiheit und die Tätigkeit religiöser Organisationen gehören.

c) Innerhalb von 2 Monaten soll die Regierung prüfen, ob „seitens religiöser Organisationen die rechtlichen Voraussetzungen und die Nutzungsbedingungen des Eigentums auf dem Territorium des Nationalen Kulturguts ‚Kiewer Höhlenkloster‘ gegeben sind“. Das berühmte Kiewer Höhlenkloster wurde in den 1990er Jahren in großer Aufbautätigkeit von der legitimen UOK wiederhergestellt und soll jetzt zumindest geteilt, wenn nicht ganz entrissen werden. Schon 1990 haben die Gläubigen sich einer gewaltsamen Übernahme des Höhlenklosters durch die nationalistische Bewegung „Ruch“ widersetzen müssen.

4) Videobotschaft des Präsidenten: Am gleichen Tag, dem 01.12.2022 teilt Präsident V. Selenskij in einer Videobotschaft mit, der „Nationale Sicherheitsrat“ unterstütze den Gesetzentwurf zum Verbot von religiösen Organisationen, die unter dem Einfluss der „Russischen Föderation“ stehen können (wohl Nr. 8221, s.o.).

5) Provokation und Spaltung: Am 02.12.2022 registriert die o.g. schismatische Gruppierung „Orthodoxe Kirche der Ukraine“ eine neue juristische Person unter dem offiziellen Namen des „Kiewer Höhlenklosters“ (Свято-Успенской Киево-Печерской лавры (мужского монастыря)) und derselben Straße wie das echte Kiewer Höhlenkloster, nur mit der Hausnummer 14 statt 15.

6) Sanktionen gegen eigene Bürger: Am 03.12.2022 werden Sanktionen ausgesprochen gegen 7 Bischöfe der UOK, 2 suspendierte Bischöfe sowie den Erzdiakon Vadim Novinskij. Das bedeutet Kontensperrungen, Reiseverbote in der Ukraine und das Verbot, staatliches Eigentum zu mieten (z.B. Kirchengebäude).

Wie verhält sich dieses Vorgehen zu den freiheitlich demokratischen Werten, zur Religionsfreiheit?

Wir rufen unsere Mitbürger, die Kirchen, die Politik dazu auf, die Augen nicht zu verschließen, vielmehr ihre Stimme zu erheben und auf der Wiederherstellung und Einhaltung elementarer Menschenrechte in der Ukraine zu bestehen.

Metropolit Mark von Berlin und Deutschland


Die deutsche Diözese der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland (ROKA) ist in Deutschland eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ihre Synode und ihr Oberhaupt, Metropolit Nicholas von Ostamerika und New York, befinden sich in den USA. Unsere Exilkirche entstand infolge der gottfeindlichen Revolution 1917. Sie ist eng verbunden mit der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK), mit deren Oberhaupt Metropolit Onufrij von Kiew und der ganzen Ukraine. Unsere beiden Kirchen sind in gleicher Weise eigenständig und selbstverwaltend (autonom), pflegen freundschaftliche Beziehungen, beten für den Frieden und lehnen den aktuellen Krieg ab.

[1] Angesichts der derzeitigen Dynamik ist die Verlässlichkeit statistischer Daten schwer abzuschätzen. Nach der offiziell verfügbaren Statistik des Amts für Ethnopolitik und Gewissensfreiheit der Ukraine vom 20. Oktober 2022 zählte die UOK zu diesem Zeitpunkt 9.107 Gemeinden, die OKU 5.194. Die UOK selbst verweist auf 12.148 eigene Gemeinden. Seit der Gründung der OKU Anfang 2019 wurden rund 1.000 (?) Kirchen von der UOK zur OKU überführt. Wie viele dieser Übertritte freiwillig waren und wie viele erzwungen wurden, geht aus der Statistik nicht hervor. Es ist auch schwer zu beurteilen, inwieweit die Zahl der Kirchengemeinden die Zahl der Gläubigen widerspiegelt (für eine Zusammenfassung und Diskussion der Statistiken siehe Thomas Bremer, Welche orthodoxe Kirche in der Ukraine ist die größte? / Which orthodox church in Ukraine is the largest? https://publicorthodoxy.org/2022/11/09/ukraine-largest-church/)

Zugleich erscheint die Zahl der Klöster und Mönche als ein wichtiger Indikator für die Verwurzelung der Kirche in der Bevölkerung. So zählte die UOK im Jahr 2019 über 200 Klöster (über 4.600 Mönche und Nonnen). Zum Vergleich: die OKU (damals offiziell als Kiewer Patriarchat geführt): ca. 63 Klöster - 230 Mönche/Nonnen. Die UOK unterhält eine Theologische Akademie in Kiew, eine Theologische Akademie in Uzhgorod, eine Theologische Universität in Luhansk, ein Theologisches Institut in Czernowitz, 7 theologische Seminare und 8 theologische Fachschulen. Obwohl seit 2019 rund 1.000 UOK-Kirchen - oft unter Zwang - in die OKU überführt wurden, lehnen offenbar viele Geistliche und Gläubige die der Kirche aufgezwungenen Veränderungen ab.

[2] Der Gesetzentwurf ist auf der offiziellen Webseite des Ukrainischen Parlaments veröffentlicht: https://itd.rada.gov.ua/billInfo/Bills/pubFile/1553221; für mehr Details siehe z.B.: https://news.church.ua/2022/12/21/open-address-of-the-holy-synod-of-the-uoc-to-president-of-ukraine-volodymyr-zelenskyi/?lang=en [3] S.o. Fußnote 1 [4] http://pravoslavye.org.ua/2022/11/

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