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Aufruf an die Abgeordneten des Bundestags

Aktualisiert: 28. März

Die Bischöfe der Deutschen Diözese richteten folgenden offenen Brief bezüglich der Verfolgung der Ukrainischen Orthodoxen Kirche und der drohenden Schließung des Kiewer Höhlenklosters an alle Abgeordneten des Bundestags.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Die Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK) wird seit einigen Jahren von ultranationalen Gruppen in Politik und Gesellschaft der Ukraine verleumdet und unter Druck gesetzt. Kirchen werden oftmals unter Billigung der lokalen Behörden gewaltsam von einer Gegenkirche besetzt, inzwischen mehr als 800. Seit dem Krieg hat sich der Hass gegen die Kirche verstärkt. Obwohl die UOK klar auf der Seite des ukrainischen Volkes steht und den Krieg Russlands gegen die Ukraine verurteilt, steht sie nun vor der unmittelbaren Gefahr, als Religionsgemeinschaft verboten zu werden. Und das, obwohl sie die mit Abstand größte christliche Kirche in der Ukraine mit einer mehr als tausendjährigen Geschichte ist.

Das Kiewer Höhlenkloster, geistliches Zentrum der Ukrainischen Orthodoxen Kirche, ist eines der ältesten Klöster der Kiewer Rus’ und Weltkulturerbe[1]. Wie Sie inzwischen auch deutschen Nachrichten entnehmen können, werden seit Ende März 2023 und verstärkt seit Juli 2023 die Mönche, Seminaristen und Pilger des Höhlenklosters von den ukrainischen Behörden systematisch schikaniert, mehrere Gebäude wurden bereits unrechtmäßig beschlagnahmt. Erklärtes Ziel der Nationalen Denkmalbehörde ist die vollkommene Vertreibung der UOK aus ihrem eigenen Kloster.

Als orthodoxe Bischöfe in Deutschland, die seit Generationen in einer brüderlichen Beziehung mit der Ukrainischen Orthodoxen Kirche stehen, rufen wir Sie, die Abgeordneten des Bundestags, dazu auf, Ihren Einfluss zu nutzen, um gegen diese Missachtung von Religionsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine einzutreten. 

Was ist passiert:

  • Am 19. Oktober 2023 passierte der immer wieder abgelehnte Gesetzesentwurf Nr. 8371 zum „Verbot religiöser Gemeinschaften, die mit dem Aggressor verbunden sind“ in erster Lesung die Verhovnaya Rada, das Parlament der Ukraine. Eine zweite Lesung steht noch aus. Dieses Gesetz, das die UOK zwar nicht namentlich erwähnt, aber eindeutig und erklärtermaßen auf sie abzielt, steht im Widerspruch zur verfassungsrechtlich garantierten Religionsfreiheit sowie zu europäischem Recht und wird von Vertretern der UOK vor Gericht angefochten werden. Doch bereits jetzt wird die UOK systematisch ihrer Rechte beraubt:

  • Am Donnerstag, dem 06. Juli 2023 erschienen auf dem Territorium des Kiewer Höhlenklosters Mitarbeiter der Nationalen Denkmalbehörde mit großem Polizeiaufgebot, verschafften sich gewaltsam Zugang zur Residenz des Metropoliten von Kiew und zu zwei weiteren Gebäuden, die von der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) genutzt werden und riegelten sie ab. Derweil hielt die Polizei die Besucher des Höhlenklosters davon ab, das Gelände zu betreten. Der Protest der herbeigeeilten Gläubigen wurde gewaltsam unterbunden.

  • Am 10. August 2023 informierte die Verwaltung des Lavra-Museums die Bruderschaft des Klosters schriftlich (Schreiben Nr. 04-24/762) darüber, dass bereits ab dem 11. August 2023, 7:00 Uhr, das Gebiet der „Unteren Lavra“ (d.i. das von der Kirche genutzte Gebiet, einschl. Kirchen, Wohntrakt der Mönche, Geistige Akademie und Wohntrakt der Hochschulangehörigen) für Besucher gesperrt würde[2]. Darüber hinaus wurde angekündigt, den Zugang zum Territorium für Priester und Mönche des Klosters täglich nur von 9:00-18:00 und nur durch den Haupteingang zu gestatten.

  • Seitdem werden diese Ansagen mit Polizeigewalt durchgesetzt, Pilger und Gläubige, die sich am 11.08.2023 noch auf dem Gebiet der Lavra aufhielten, wurden gezwungen, das Kloster zu verlassen, ohne die Möglichkeit zu haben, persönliche Gegenstände mitzunehmen. Diejenigen, die dieser Anordnung nicht Folge leisteten, wurden in den Gebäuden eingesperrt. Die Polizeibeamten vor Ort untersagten die Übergabe von Wasser und Lebensmitteln an diese Menschen.

  • Tatsächlich wird seither nicht nur Besuchern und Pilgern, sondern auch Dozenten, Studenten und Mitarbeitern der renommierten Kiewer Geistigen Akademie der Zugang zum Territorium des Klosters und damit ihrer Hochschule verwehrt. Die Mönche müssen sich beim Verlassen und Betreten ihres Klosters ausweisen.

  • Diese unrechtmäßigen Aktionen kamen mit Ankündigung: am 10.03.2023 waren die Mönche des Höhlenklosters in einem Schreiben der Museumsverwaltung über die einseitige Annullierung des Vertrags zur Nutzung der „Unteren Lavra“ informiert worden. Dabei wurden sie aufgefordert, das Höhlenkloster bis zum 29.03.2023 komplett zu räumen. Die Mönche folgten dieser Aufforderung nicht, sondern reichten mehrere Klagen dagegen ein. Die derzeit mit Gewalt durchgeführten Räumungen geschehen somit trotz laufender Prozesse gegen das Vorgehen der Denkmalbehörde und des Lavra-Museums.

Die Höhlenlavra war nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft von der UOK mit eigenen Mitteln wieder aufgebaut worden und beherbergt neben dem Kloster mit rund 200 Mönchen den Hauptsitz des Metropoliten von Kiew, die Kirchenverwaltung und die berühmte Kiewer geistliche Akademie mit 300 z.T. dort lebenden Seminaristen, Studenten und Dozenten. Das Erbe des Kommunismus, unter dessen religionsfeindlicher Herrschaft das Kloster zweimal geschlossen und der gesamte Kirchenbesitz beschlagnahmt worden war, wirkt bis heute nach, denn das historische geistliche Zentrum der UOK wurde vom ukrainischen Staat nie der Kirche zurückgegeben, sondern nur zur Nutzung überlassen.

Die systematischen Provokationen, Schikanen und Enteignungen der UOK, die seit 2014 im ganzen Land zunehmen und jedes Recht ignorieren, haben nun einen traurigen Höhepunkt erreicht. Nicht nur wurden in diesem Zeitraum schon mehr als 800 Kirchen gewaltsam enteignet, versiegelt oder der 2018 vom Staat ins Leben gerufenen „Orthodoxen Kirche der Ukraine“ übergeben; der Druck auf die Geistlichen und Gläubigen der Kirche, in diese neue Struktur überzutreten oder aber ihre Heimat zu verlassen, nimmt mit jedem Tag zu. Vertreibung, Misshandlung und schließlich das imminente gesetzliche Verbot der UOK sind bereits traurige Realität.

Der Westen schaut dabei seit geraumer Zeit tatenlos zu, wie die freiheitlichen demokratischen Werte durch den ukrainischen Staat, der angeblich diese westlichen Werte gegen den russischen Autoritarismus verteidigt, mit Füßen getreten werden.

Politik, Kirchen und Medien hierzulande haben offenbar sehr wenig dazu zu sagen, wenn Menschen aufgrund ihrer Kultur und ihres Bekenntnisses benachteiligt, verleumdet, misshandelt und entrechtet werden. Sie empören sich nicht mehr, wenn ukrainische Demonstranten auf ihren Straßen und Plätzen u.a. in Deutschland „Tod den Russenschweinen“ und den Bandera-Gruß „Slawa Ukraine!“ skandieren.[3]

Darf der Westen, darf Deutschland (das laut Finanzminister Lindner 22 Milliarden in die Ukraine-Hilfe investiert hat, militärisch 12 Milliarden) nicht auf Einhaltung der Grundprinzipien von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und von Religionsfreiheit bestehen?

In vielen orthodoxen Kirchengemeinden in Deutschland beten Ukrainer und Russen gemeinsam und verstehen sich als eine orthodoxe Kirche. Die aktuellen Vorgänge in der Ukraine erfüllen uns Bischöfe und unsere Gläubigen mit Entsetzen. Wir können es nicht mit ansehen, wenn der Ukraine-Krieg, der als eskalierter Interessenkonflikt der Machthabenden letztlich auf beiden Seiten gegen das eigene Volk und zum Leidwesen aller geführt wird, Hass und Verachtung zwischen zwei Völkern sät, die historisch einst als Brüder verbunden waren, und wenn jetzt die Träger des gemeinsamen Kulturerbes, nämlich insbesondere die Gläubigen und Geistlichen der UOK zum Sündenbock des Landes und zu „Volksfeinden“ erklärt werden.

Wenn wir in Deutschland uns nicht gegen dieses Unrecht erheben, das ohne unsere Unterstützung nicht möglich wäre, dann färbt das auf uns selbst ab.

Wir rufen Sie darum als Bundestagsabgeordnete dazu auf, nicht nur gegen den brutalen Krieg in Europa, sondern auch gegen eine fehlgeleitete nationalistische Politik der ukrainischen Regierung einzutreten. Unser schweres historische Erbe verpflichtet uns als Deutsche insbesondere dazu.

+ Metropolit Mark von Berlin und Deutschland (ROKA)

+ Bischof Hiob von Stuttgart (ROKA)


[1] Das berühmte Kiewer Höhlenkloster wurde 1013 von den Heiligen Mönchen Antonij und Feodosij am Ufer des Dnepr gegründet. 1926 wurde es von den Bolschewiken geschlossen - erstmals in seiner Geschichte. 1941 wurde die Kathedrale des Klosters von den deutschen Besatzern als „identitätsstiftende Kultstätte“ gesprengt. 1961 wurden die Mönche zum zweiten Mal gewaltsam vertrieben, das Gelände konfisziert und in ein Museum umgewandelt. Nach der Wende blieb das Kloster in staatlicher Hand und wurde der Kirche nur teilweise zur Nutzung überlassen (namentlich auf dem Gebiet der sog. unteren Lavra). Das gesamte Gebiet des Höhlenklosters bleibt bis heute als „Nationales Kulturhistorisches Reservat Kyjiw-Petschersk“ (im Folgenden: Lavra-Museum) im staatlichen Besitz. Mit Beginn des Ukraine-Kriegs haben sich die staatlichen Repressalien gegen das Höhlenkloster sowie die Ukrainische Orthodoxe Kirche insgesamt verschärft, das Höhlenkloster sowie hunderte andere Kirchen und Klöster wurden durchsucht und z.T. konfisziert.

[2] siehe auch die Ankündigung auf der Webseite des Lavra-Museums: www.kplavra.kyiv.ua/ua/node/3521

[3] Als ukrainische Künstler den diesjährigen CSD in München mit faschistischen Liedern unterwanderten, wurde darüber tagelang in der Presse geschwiegen. Auch über Denkmäler der „Nationalhelden“ des ukrainischen Faschismus, die dort vielerorts errichtet werden, wird geschwiegen. Besonders beliebt: besagter Bandera, ein Nazi-Kollaborateur und Judenverfolger.

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