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Aufruf an alle Priester der Deutschen Diözese der Russischen Auslandskirche*

Ehrwürdige Väter, die Ihr Euren pastoralen Dienst in der Deutschen Diözese leistet!

Der Krieg in der Ukraine bewegt und fordert uns seit über einem Jahr. In unseren Gemeinden kommen Emigranten, Flüchtlinge und andere Menschen zum einmütigen Gebet zusammen, die teils aus der ehemaligen Sowjetunion, teils auch aus der Russischen Föderation, der Ukraine, aus Belarus und anderen Ländern kommen. Wir bewahren diese Gebetsgemeinschaft von orthodoxen Christen, die aus dem Taufbecken der Rus’ in Kiew entstammen; sie alle - wie auch unsere bulgarischen und serbischen Brüder - eint das Kirchenslawische als Gebetssprache. Mit großer Sorge beobachten wir auch hier in der Diaspora das Entstehen neuer, rein politisch motivierter Kirchenstrukturen.

Die „Russische Orthodoxe Kirche“ – das muss in diesen Tagen erinnert werden – ist nicht nach der Russischen Föderation benannt, sondern nach der Heiligen Rus’, einem Gebilde, welches seinerzeit in erster Linie kulturell und religiös, nicht politisch national begründet war. Wir stehen daher auch heute zu unserem Namen und unserer inklusiven Identität.

Als Seelsorger dürfen wir niemanden wegen seiner Herkunft, Kultur, Sprache oder politischen Gesinnung abweisen oder anders behandeln. Jeder, der im Hause Gottes beten möchte, jeder, der geistliche Erquickung und Trost sucht, sollte von uns mit derselben Liebe Christi empfangen werden, verdient unser Ohr, unser Verständnis, unsere Fürsorge.

Um angesichts des Bruderkrieges den Frieden in unseren Kirchen zu bewahren, hat S.E. Metropolit Mark schon zu Beginn des Konflikts im letzten Jahr festgelegt, dass es Aufgabe des Klerus und der Kirchenältesten unserer Diözese ist, jegliche politische Diskussion oder Meinungsbekundung aus den Gebets- und Gemeinderäumen herauszuhalten. Das betrifft auch Flaggen, Symbole oder Parolen für die eine oder andere Partei.

In ihren Stellungnahmen nach innen wie nach außen hin verweist unsere Kirche darauf, dass sie den Ukraine-Krieg ausschließlich pastoral durch die Augen ihrer Herde betrachtet, die ihn jeweils ganz individuell wahrnehmen. Daher sieht sie es als unerlässlich, sich selbst weitestgehend einer Bewertung dieses Konflikts zu enthalten.

Wir erfahren oft aus erster Hand von den moralischen Abgründen des Krieges, vom Kontrollverlust und vom Aufeinandertreffen von beidseitiger roher Gewalt. All dies ist durch nichts zu rechtfertigen. Zugleich darf unser Mitgefühl für die Opfer keinen Hass gegen die Täter miteinschließen, erst recht keinen kollektiven Hass erlauben.

Als Seelsorger und Geistliche sind wir alle auch weiterhin um des Seelenheils unserer Herde willen angehalten, im Rahmen sowohl unserer pastoralen Tätigkeit, als auch unseres öffentlichen Auftretens als Kirchenvertreter, uns von der Wiederholung einseitiger politischer Berichterstattung und Propaganda, von einseitigen Patriotismus-Bekundungen, Anschuldigungen und Verurteilung konkreter Menschen zu enthalten. Dies ist nötig, damit wir wie Paulus sagen können:

„Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette.“ (1 Kor 9,22)

Die ganze Wahrheit wird früher oder später ans Licht kommen, Christus, die Wahrheit und das Leben selbst, wird ihr gewiss zum Sieg verhelfen. Dafür beten wir: Herr, schenke uns Deinen Frieden, Deine Wahrheit und Dein Leben. Amen.


+ Hiob, Bischof von Stuttgart

6./19. Mai 2023


*Anmerkung: Dieser Aufruf richtet sich an alle Priester, die in unserer Diözese tätig sind, einschließlich derjenigen, die hier erst kürzlich infolge des Krieges in der Ukraine eingetroffen sind. Er wird allen Gläubigen zur Kenntnis gebracht, da manche von ihren Priestern politische Stellungnahmen erwarten, oder selbst unter dem Druck stehen, die "politische Position" der Russischen Auslandskirche in Deutschland zu erklären und zu bewerten.

Die Redaktion des Boten


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