Über das Mysterium der Beichte
- Der Bote
- 29. März
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Archimandrit Hiob, Abt des Klosters des hl. Hiob von Počaev in München-Obermenzing, auf dem Treffen orthodoxer Deutscher und Freunde der Orthodoxie, am 9. August 1953.
Liebe Brüder und Schwestern!
In engem Bezug zum Vortrag von Vater Antonij über die Erbsünde und die Rechtfertigung steht die Frage nach dem Bußsakrament und damit die Frage nach der Beichte. Leider ist ein Seelsorger immer wieder mit der Tatsache konfrontiert, dass nicht nur diejenigen, die neu in der Orthodoxie sind - was verständlich wäre -, sondern auch diejenigen, die von Kindesbeinen an orthodox sind, keine rechte Vorstellung davon haben, wie und was in erster Linie gebeichtet werden sollte. Die Folgen dieses mangelnden Verständnisses sind gravierend, nicht nur für den Beichtenden selbst, der zum Heiligen Kelch tritt, ohne seine Seele angemessen von der Sünde gereinigt zu haben, sondern auch für den Beichtvater, der ihm die Absolution erteilt hat, und auf den die Last der geistlichen Verantwortung für diese uneingestandenen und nicht gebeichteten Vergehen mit all ihrem Gewicht fällt.
Gerade deshalb ist es so wichtig, orthodoxe Menschen immer wieder auf diese Tatsache hinzuweisen. Wir halten es für angebracht, die Haltung der Orthodoxen Kirche zu diesem Thema heute zu skizzieren.

Es ist höchst bedauerlich, dass diejenigen, die zur Beichte kommen, sich nicht ausreichend bemühen, sich gründlich auf das Mysterium vorzubereiten; tun sie es doch, richten sie ihr Augenmerk hauptsächlich auf Lappalien - auf unbedeutende, geringfügige Übertretungen oder auf solche Sünden, die nur Folgen schwerer geistiger Laster sind, resultierend aus einer gänzlich falschen, unchristlichen Gesinnung der Seele. Kaum jemand widmet sich der Aufgabe, in sich selbst die essentiellen Sünden zu erkennen, die, wenn auch langsam, aber sicher, auf den Weg des Verderbens führen. Das Phänomen ist wirklich erstaunlich! Denn zugleich beobachten wir, wie Menschen, die sich in viel geringerer Gefahr befinden – wenn es um den Verlust ihrer körperlichen Gesundheit oder im schlimmsten Fall um den leiblichen Tod geht – und einen irdischen Arzt aufsuchen, nicht einmal daran denken, mit der Aufzählung kleinerer Beschwerden dessen Zeit zu verschwenden, sondern direkt von ihrer Kernkrankheit berichten, wenn sie droht, im Tod oder im Verlust ihrer Arbeitsfähigkeit zu enden. Wenn sie dies tun, bitten sie oft unter Tränen um Hilfe, um Rettung aus der drohenden Gefahr, und werden sie gesund - oder erfahren sie auch nur Linderung -, so danken sie wiederum unter Tränen für die empfangene Wohltat und zahlen bereitwillig, manchmal auch mit dem letzten Hemd für dessen Heilkunst. Umso erstaunlicher ist es, dass Menschen, denen nicht der einstweilige, sondern der ewige Tod droht, denen nicht einstweiliges Leid, sondern ewige Qualen drohen, mit solcher Gleichgültigkeit die „geistliche Arznei“ empfangen - sprich zur Beichte - kommen und die schlimmste aller Krankheiten - die Sünde - mit solcher Sorglosigkeit handhaben.
Für den modernen Menschen bestehen die zentralen geistigen Laster, mit denen er besonders eifrig zu kämpfen hat, im Unglauben - oder seiner abgeschwächten Form -, im Zweifel, im Stolz und in der Eigenliebe.

Sowohl Unglaube als auch Zweifel und Stolz können sich so tief in der Seele einnisten, dass man sich ihrer Anwesenheit nicht gleich bewusst ist. Dabei wäre es so einfach, diese verhängnisvollen Krankheiten in sich selbst zu entdecken. Viele Menschen halten sich bekanntlich für gläubig. Aber an Christus zu glauben bedeutet, an das Leben nach dem Tod zu glauben, zu glauben, dass dieses Leben nach dem Tod das wahre, definitive Leben ist, und dass die irdische Existenz nur eine Vorbereitung darauf ist - eine zeitlich begrenzte Übung. Das Leben nach dem Tod hingegen besteht entweder aus ewiger Glückseligkeit mit Christus oder aus ewigen Qual fernab von ihm. Deshalb ermahnt die Orthodoxe Kirche ihre Kinder, allezeit „des Todes eingedenk“ zu sein. „Herr, gib mir ... das Gedenken des Todes“, betet ein orthodoxer Christ während der Abendregel. Bedeutet das, dass er, anstatt sich des Lebens zu freuen, in düsteren Gedanken und Verzagtheit schwelgen soll? - Mitnichten! Trägheit ist eine Sünde; Außerdem bedeutet der Tod für einen rechten Christen nur den Übergang zum ewigen, glückseligen Leben, weshalb ihn alle Gerechten Gottes mit Freude erwarteten und sich auf ihn vorbereiteten wie auf ein Fest. Wir wissen zum Beispiel, wie der heilige Seraphim von Sarow, der den genauen Zeitpunkt seines Todes vorhersah, am Tag zuvor freudige Ostergesänge anstimmte, oder wie der heilige Hiob von Počaev, der seinen Tod sieben Wochen im Voraus vorhersah, sich in Freuden auf ihn vorbereitete. Aber nicht nur für so große Heilige wie den heiligen Seraphim und den heiligen Hiob, sondern für jeden aufrichtig und von ganzem Herzen gläubigen Christen gibt es, wie es der heilige Innokentij von Cherson ausdrückt, „keinen Tod, denn das Ende des irdischen Daseins ist für ihn nur der Anfang des ewigen Lebens“. Ebenso ist für den Sünder das Gedenken an den Tod ein rettendes Heilmittel: Durch die Erinnerung an den bevorstehenden Tod erkennt der Mensch, dass sein schlimmster Feind die Sünde ist, die ihn ins ewige Verderben führen kann. Aus diesem Grund sind für den wahrhaft Gläubigen alle irdischen Dinge - sei es Gesundheit, finanzieller Status, Geschäft, Kunst und was auch immer - nur von relativem Wert. Das bedeutet nicht, dass ein Mensch all diese Dinge vernachlässigen und sich in ein Kloster zurückziehen muss (wofür es einer besonderen Berufung durch Gott bedarf), sondern dass er sich um all diese Dinge nur in Einklang mit dem eigentlichen Ziel kümmern sollte - der ewigen Glückseligkeit oder, wie es die Orthodoxe Kirche ausdrückt, „zum Heil der Seele“. Wer anders denkt, wer in irdischen Sorgen um weltliche Güter verwurzelt ist und die geistlichen vernachlässigt, befindet sich nicht auf dem Weg des Heils, sondern auf dem Weg des Verderbens, von dem man nur durch aufrichtige, ungeheuchelte Buße, durch entschlossene Umkehr abkommen kann.
Allerdings gereicht, wie die heiligen Väter lehren, Buße ohne Tränen, d.h. ohne reinherzige Reue, aufrichtige Zerknirschung, Abneigung gegen das, was in uns sündig ist, nicht zum Heil.
Eine derartige Bußfertigkeit setzt jedoch Demut voraus; das zweite Hindernis für die heilsame Läuterung der Seele ist folglich, wie oben erwähnt, der Stolz.

Den eigenen Unglauben und Zweifel aufrichtig und demütig zu bereuen - darin liegt der Sinn und Zweck der Beichte. Letztere sollte für den Menschen ein „Bad der Reinigung“ sein und nicht bloß ein unbedeutender Ritus, der aus Gewohnheit oder Tradition gleichgültig „vollzogen“ wird. Eine der Aufgaben der zahlreichen Klöster, die vor der Revolution über ganz Russland verstreut waren, bestand darin, den Menschen, die ihre Seelen durch wahre Reue von Sünden reinigen wollten, geistliche Hilfe zu leisten. Millionen von Menschen aus den verschiedensten Gesellschaftsschichten kamen jedes Jahr in diese Klöster, um an diesen heiligen Orten der Welt zu entfliehen; die klösterliche Umgebung selbst, die Gnade, die von den Heiligtümern ausgeht, die Klostergottesdienste, wirkten wohltuend auf den Gläubigen: Hier sah er mit eigenen Augen den Unterschied zwischen der vergänglichen, kurzlebigen Welt mit ihrer Eitelkeit, mit ihrem trügerischen, phantomhaften Glück und der ewigen Welt mit ihrem ewigen geistigen Gütern. Hier konnte er abseits des weltlichen Lärms leichter in sich gehen, sich unter der Anleitung eines Ältesten oder eines erfahrenen Beichtvaters prüfen, sich läutern und durch aufrichtige, das Herz durchdringende Reue wiedergeboren werden. Im Geiste der Treue zu dieser heiligen Tradition des orthodoxen Mönchtums ermahnen wir Sie, liebe Brüder und Schwestern in Christus, und uns: Achten Sie auf Ihr geistliches Leben. Lasst euch nicht von irdischen Dingen vereinnahmen. Vernachlässigt nicht euer ewiges Heil, damit ihr nicht dem wahren Tod - dem Zorn Gottes und der ewigen Verdammnis - ausgeliefert werdet. Nehmt das Bußsakrament ernst, damit ihr das ewige, selige Leben im Königtum unseres Erlösers, des Herrn Jesus Christus, erlangen möget.
Amen.
Cerkovnyja Vedomosti Pravoslavnoj Cerkvi v Germanii 10 (1953), S. 11-13.
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