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Der Bote

Wer aber von dem Wasser trinkt, das Ich ihm geben werde, den wird in Ewigkeit nicht dürsten.

Metropolit Lavr – Ersthierarch der Russischen Auslandskirche (+ 2008)

Predigt am fünften Sonntag nach Ostern


Christus ist auferstanden!


Die heutige Evangeliumslesung handelt von der Unterhaltung des Herrn Jesus Christus mit der Frau „aus Samaria“, der Samariterin (Joh 4).

Dieses Ereignis fand nach dem ersten Pessach nach Beginn des öffentlichen Dienstes Christi statt, deshalb erinnert die Hl. Kirche jetzt daran.

Der Herr Jesus Christus blieb nach dem Pessachfest noch in Jerusalem, doch als er sah, dass die Feindschaft der Pharisäer gegen Ihn anhaltend wächst, und weil die Stunde Seines Leidens noch nicht gekommen war, verließ er Judäa und ging nach Galiläa.

Der Weg des Herrn führte durch Samarien. Als der Herr Jesus Christus mit Seinen Jüngern zur Stadt Sichem kam, war gerade Mittag, eine Zeit großer Hitze, die eine Rast notwendig machte. Der Herr hielt mit Seinen Jüngern am Brunnen, der der Überlieferung nach vom Vorvater Jakob gegraben worden war. Die Jünger gingen in die Stadt, um Nahrung zu kaufen.

Da kommt die Samariterin zum Brunnen, um Wasser zu holen. Der Herr wendet sich an sie und spricht zu ihr: „Gib mir zu trinken“. Die Samariterin war erstaunt, dass er, obwohl er Jude war, sie um Wasser bittet, denn die Juden verkehrten nicht mit den Samaritern und verachteten sie. Doch der Herr Jesus Christus, der für die Rettung aller, nicht nur der Juden, auf die Erde kam, verschmähte weder Sünder noch Huren, denn er war gekommen, um Sünder zu retten.

Der Herr sagt zu ihr: würde sie die „Gabe Gottes“ kennen, d.h. wissen, welches Glück ihr Gott in dieser Begegnung zuteilwerden lässt, und wüsste sie, wer zu ihr „gib Mir zu trinken“ sagt, so würde sie Ihn selbst bitten, und Er würde ihr das lebendige Wasser geben. Die Samariterin versteht die Worte des Herrn nicht, und spricht zu ihm: „Du hast ja kein Schöpfgefäß, und bist du etwa größer als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat?“

Da spricht der Herr zur Samariterin: „Jeden, der von diesem Wasser trinkt, wird wieder dürsten. Wer aber von dem Wasser trinkt, das Ich ihm geben werde, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das Ich ihm geben werde, wird in ihm zu einer Quelle von Wasser werden, das bis ins ewige Leben quillt.“

Das Wasser der Gnade, d.h. die Gnade des Heiligen Geistes, hat ganz andere Eigenschaften als das materielle Wasser. Wer mit dem Wasser der Gnade, mit der Gnade des Hl. Geistes, getränkt wird, der wird nie wieder geistigen Durst verspüren, d.h. all seine geistigen Bedürfnisse werden befriedigt sein. Das Gegenteil davon trifft auf das materielle Wasser zu: wer davon trinkt, stillt den Durst nur eine Zeitlang und „dürstet bald wieder“. Das Wasser der Gnade bildet im Menschen eine Quelle, aus der das ewige Leben sprudelt, d.h. die den Menschen zum Teilhaber am ewigen Leben macht.

Die Samariterin versteht den Herrn auch weiterhin nicht, und weil sie denkt, dass der Herr von gewöhnlichem, einfach irgendeinem besonderen durstlöschenden Wasser spricht, bittet sie den Herrn, ihr von diesem Wasser zu geben, um nicht mehr zu diesem Brunnen kommen zu müssen.

Der Herr gebietet der Samariterin, ihren Mann zu rufen. Sie sagt, sie habe keinen Mann. Doch der Herr entlarvt sie und zeigt ihr, dass Er ihr Leben kennt. Als die Samariterin sieht, dass der, der zu ihr spricht, ein Prophet ist, der das Geheime kennt, stellt sie ihm die Frage, die alle Samariter beschäftigt: wo ist Gott besser anzubeten – auf diesem Berg Garizim, auf dem unsere Väter anbeteten, oder in Jerusalem, wie die Juden behaupten. Der Herr sagt, dass die Rettung aus Judäa kommt (d.h. der Erretter aus Judäa stammt), doch dass eine Zeit kommt und bereits angebrochen sei, da die Anbetung Gottes allgegenwärtig sein würde und die wahren Anbeter den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten würden, denn solche Anbeter wünscht Sich der Vater. Gott ist Geist, und die, die Ihn anbeten, müssen Ihn in Geist und Wahrheit anbeten.

Juden und Samariter glaubten, dass man Gott an einem bestimmten Ort anbeten solle. Sie kümmerten sich um die äußerliche Erfüllung des Gesetzes und der Rituale und beschränkten darauf ihre Gottesverehrung. Sie kümmerten sich um die körperliche Reinheit, um die Darbringung von Opfern an Gott. Doch der körperlose Gott braucht nicht die körperliche Reinheit, sondern die seelische, er braucht keine zahlreichen Opfer, sondern das Opfer des Lobpreises, wie König David spricht: „Opfere Gott das Opfer des Lobes und bringe dem Höchsten deine Gebete dar“. Alles alttestamentlich Rituelle war ein Vorbild des Geistigen. Doch das heißt nicht, dass der Herr die Rituale abschafft, nein. Er lehrt uns, dass sie allein nicht genügen; die äußere Gottesverehrung muss ein Ausdruck, ein Abbild der inneren Einstellung des Menschen sein. Das Gebet, das Fasten, die Buße, der Glaube – wenn sie wie ein Ritual erfüllt werden, ohne die entsprechende innere Einstellung, so werden sie sinnentleert. Der Pharisäer, zum Beispiel, erfüllte das Gebot über den Zehnten und über das Fasten, doch Gott lobte ihn nicht dafür. Dies ist das eine Extrem – die Gottesverehrung auf eine rein äußerliche Erfüllung von Geboten und Ritualen zu beschränken. Darin sündigten die alttestamentlichen Pharisäer.

Doch das entgegengesetzte Extrem findet sich bei heutigen Sektierern, die die Bedeutung der Worte des Herrn entstellen: „Gott ist Geist, und die, die ihn anbeten, sollen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten“. Auf der Grundlage dieser Worte lehnen die Sektierer die Kirche, die Gottesdienste, die Kirchengebäude, Fastenzeiten, Metanien und sämtliche Rituale und kirchlichen Gebote ab, und sagen, das alles sei unnötig und es reiche, im Geist und Verstand zu Gott zu beten. Doch ist eine innere Verehrung Gottes ohne eine äußere möglich, besonders angesichts der engen Verbindung zwischen Seele und Körper? Nein, sie ist unmöglich. Am Beispiel der Sektierer selbst wird deutlich, dass sie, indem sie die äußerliche Anbetung Gottes ablehnen, auch ihr geistiges Leben nicht entwickeln, es erstickt und verlischt.

Nur, wenn die innerliche Gebetshaltung sich in äußerlicher Anstrengung ausdrückt und beide durch Gottesverehrung und wahre Gottesanbetung miteinander verbunden sind, schließt die „Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit“ auch die äußerliche Seite der Gottesanbetung nicht aus. Jesus Christus selbst fastete 40 Tage lang, besuchte den Tempel, betete auf Knien im Garten Gethsemane. Und wenn wir auf die Geschichte der christlichen Kirche blicken, so sehen wir, dass die Heiligen nicht nur innerliche Askese übten, sondern auch äußerliche, z.B. Metanien, Fasten, allnächtliches Stehen im Gebet. Durch diese äußeren Formen der Askese ordneten sie das Fleisch dem Geist unter, wofür ihnen der Herr das Wasser der Gnade schenkte – die Gnade des Hl. Geistes, die sie in der Ausübung dieser Askese festigte.

Auch die Samariterin war gewürdigt, dieses Wasser der Gnade zu bekommen, und nachdem sie ihren geistigen Durst gestillt hatte, ging sie hinaus nach Samaria und predigte dort den Christus, den Messias. In der Folge aber erduldete sie für die Verkündigung der Lehre Christi auch das Martyrium. Amen.

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