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Der Bote

Geistige Bildung in jeder Hinsicht: Das 41. Orthodoxe Treffen in München*

Aktualisiert: 12. Jan.

Vom 13./26. bis 15./28. Dezember 2023 fand in der Münchner Kathedralkirche das alljährliche winterliche “Orthodoxe Treffen” statt, an dem über hundert Teilnehmer teilnahmen. Thema des diesjährigen 41. Treffens war die geistige Bildung. Das Seminar wurde mit einem Gebetsgottesdienst zum „Beginn eines jeden guten Werks“ eröffnet, dann wandte sich Metropolit Mark an die Teilnehmer. Er stellte fest, dass das Herzstück der Zusammenkunft das gemeinsame Gebet in den Gottesdiensten ist.Die Vorträge am ersten Tag waren dem ebendiesem Thema gewidmet. Bischof David von der Serbischen Orthodoxen Kirche konnte aus Krankheitsgründen nicht teilnehmen und schickte deshalb seinen Bericht über das Jesusgebet schriftlich, so konnten die Teilnehmer einiges über die Besonderheiten dieser Gebetspraxis erfahren (Text des Vortrags s. unten, diese Nummer des “Boten” - 4/2023).Bischof Hiob betrachtete in seinem Vortrag die „Liturgie als Ort des geistigen Wachstums“. Er sprach über die Rolle der liturgischen Texte, der Ikonen und des Gottesdienstes insgesamt bei der Glaubensvermittlung und geistigen Formung des Menschen.Nach den Vorträgen traf sich die Versammlung informell zum Tee und betete dann beim vereinten Abend- und Morgengottesdienst. Nach dem Gottesdienst und dem Abendessen (alle Mahlzeiten - Frühstück, Mittag- und Abendessen — werden für das “Orthodoxe Treffen” von den Gemeindemitgliedern der Kathedrale zubereitet) wurden die auswärtigen Teilnehmer zur Übernachtung eingeteilt. Während des Seminars beherbergten Gemeindemitglieder der Münchner Kathedrale die zahlreichen auswärtigen Gäste des Treffens, die aus der ganzen deutschen Diözese anreisten. Am nächsten Morgen, dem 14./27.12.2023, versammelten sich die Seminarteilnehmer um 7 Uhr wieder in der Kirche zur Liturgie: Metropolit Mark stand der Liturgie vor. Nachdem sie sich mit einem Frühstück gestärkt hatten, hörten die Teilnehmer weiter den Vorträgen zu und diskutierten sie.In diesem Jahr feiert das Seminar der Heiligen Dreiheit in Jordanville (USA), die wichtigste geistliche Bildungseinrichtung der Russischen Kirche im Ausland, sein 75-jähriges Bestehen. Erzdiakon Andrei Psarev, Professor am Seminar von Jordanville, sprach über die Geschichte und das Leben des Seminars. Dank seines Berichts sowie seiner lebendigen Präsentation und des Videoclips, die das Leben des Seminars beschreiben, konnten die Teilnehmer in die Atmosphäre des Seminars eintauchen. Vater Andrei schloss seinen Vortrag ab mit der Frage: „brauchen wir ein solches Priesterseminar?“, woraufhin sich eine lebhafte Diskussion entwickelte.

Dem Bericht des Psychologen Fedor Mikhailovich Shankov „Soziale Netzwerke in den Gemeinden als Übung für christliche Beziehungen“ ging eine Beschreibung einiger Probleme voraus, die in verschiedenen Gemeinde-Chaträumen auftreten. Diese sind ein relativ neues Phänomen im modernen Gemeindeleben, aber sie haben sich schnell weit verbreitet. Nachdem er auf die Gefahren hingewiesen hatte, schlug Fedor Mikhailovich vor, sich eine einfach zu merkende Regel anzueignen und verwendete dafür das russische Akronym „LICO“ = „Persönlichkeit/Antlitz/Gesicht“. Hier geht es also um „L“ = Persönlichkeit (des Gesprächspartners), “I” = Istina, Wahrheit (die weit über das Internet hinaus reicht), “C” = Cennost’, Wert (der Kommunikation), “O” Otkrytost’, Offenheit (gegenüber dem Gesprächspartner). Nach dem Mittagessen konnten die Zuhörer sich an einer Diskussion über ein Thema beteiligen, das für alle Christen wichtig ist - die Buße. Die Podiumsdiskussion wurde unter der Überschrift "Geistliches Wachstum und Entwicklung auf der Grundlage der Beichte" präsentiert. Die Erzpriester Nikolai Artemoff (München), Ilya Limberger (Stuttgart), Nikolai Karpenko (Münster) und Priester Viktor Meshko (München) teilten ihre Erfahrungen und Gedanken mit. Vater Ilya schlug verschiedene atypische Herangehensweisen an die Beichte vor, um zu vermeiden, dass man sich an dieses große Mysterium gewöhnt oder es verzerrt, was er als eine große Gefahr ansieht. Eine wichtige Botschaft waren die Worte von Vater Nikolai Artemoff, dass die Beichte ein göttlich eingesetztes Mysterium ist und der Mensch in der Beichte zuallererst zu Gott kommt. Der Mensch öffnet Gott sein Herz, und der Priester hört ihm gebetsvoll zu und öffnet es seinerseits, da auch er Christus in seinem Herzen hat. Und es ist diese Gemeinschaft in der Gegenwart Christi, die im Mittelpunkt der Beichte stehen sollte. Somit waren beide Aspekte vereint — der pädagogische und der mystische. Ein einfaches und doch weit reichendes Fazit zog Metropolit Mark am Ende der Diskussion: „Wir müssen –vonseiten der Priester ebenso wie vonseiten der Gläubigen – einen gordischen Knoten lösen: nämlich die falsche Verbindung von Beichte und Kommunion. Daran müssen wir sehr ernsthaft arbeiten.“ Vladyka rief die Gläubigen nachdrücklich dazu auf, sich für die Beichte regelmäßig (aber nicht am Wochenende) eigens Zeit zu nehmen und die Mysterien der Buße und der Kommunion nicht starr zu verknüpfen.

Der letzte Vortrag dieses Tages, vor der Vigil zum Fest der Heiligen Märtyrer Eleutherius von Illyrien (2. Jh.) und Hilarion von Vereja (20. Jh.), war ein Bericht von Vater Nikolai Artemoff über den Polyeleios. Die Teilnehmer lernten die Polyeleios-Psalmen kennen und übten sich im Singen. In der nachfolgenden Vigil hatten alle Teilnehmer die Gelegenheit, den Polyeleos gemeinsam zu singen (der Klerus und der Chor sangen abwechselnd die Strophen der Psalmen, und das Volk antwortete freudig mit dem Refrain "Alleluja!" und "für immer und ewig ist Seine Barmherzigkeit...").Am Morgen des 15./28. Dezember wurde die festliche Göttliche Liturgie von zwei Bischöfen - Metropolit Mark und Bischof Hiob - mit einer Schar von Geistlichen gefeiert. Die Vorträge des dritten Tages waren der Schulbildung gewidmet. Dr. Eugenia Danilovich, Wissenschaftlerin an der Universität Münster, sprach über den “Orthodoxen Religionsunterricht: Ziele und Herausforderungen des Unterrichts in Deutschland". Der orthodoxe Religionsunterricht (ORU) ist in einer Reihe von Bundesländern ein schulisches Pflichtfach und orthodoxe Christen haben das Recht auf die Teilnahme am orthodoxen Unterricht. Die Geschichte dieses Unterrichts in Deutschland und dessen Besonderheiten in Bayern sowie in einzelnen Schulen wurden von Erzdiakon Varfolomey Bazanov anhand seiner praktischen Erfahrungen beschrieben.Das Seminar schloss mit einem Vortrag von Irina Naumova aus Wiesbaden über die Rolle des Pilgerns in der religiösen Erziehung und im geistigen Wachstum. Besonders hervorzuheben ist die technische Unterstützung durch die Freiwilligen. Die Simultanübersetzung wurde über Kopfhörer übertragen, was es ermöglichte, die Zuhörer nicht nach dem Sprachprinzip zu trennen. Darüber hinaus wurden die Berichte live im Stream übertragen und auch aus der Ferne konnten Fragen von Zuschauern gestellt werden. Die Erfahrung aus den zwei Jahren, in denen das Seminar nicht in Präsenz abgehalten werden konnte, wurde auf diese Weise bewahrt und die Reichweite konnte erweitert werden - am ersten Tag wurde der Livestream über 400 Mal aufgerufen, einen Tag später über 1000. Das ist erfreulich und rechtfertigt die Technik, auch wenn sie manchmal durch plötzliche Aussetzer zu wünschen übrig ließ. Und doch kann nichts den lebendigen Dialog vor Ort, und erst recht nicht den gemeinsamen Gebetsraum ersetzen — das Gotteshaus.


Photos: Daniel Diewald (Linz, Österreich)


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